Frequenzberechnung

Die Änderung der potentiellen Energie $V$ der Kerne kann durch eine Taylor-Reihe um Entwicklungspunkt $X_0$ ausgedrückt werden:

\[V(X) = V(X_0) + g^T(X-X_0) + \frac{1}{2}(X-X_0)^T H (X-X_0) + ...\]

wobei wiederum $g$ der Gradient und $H$ die Hesse-Matrix ist. Die harmonische Näherung vereinfacht diese Taylor-Reihe indem nur die Terme bis zur zweiten Ableitung berücksichtigt werden. Im Energie-Minimum ist der Gradient $g^T=0$ und mit der Wahl $V(X_0)=0$ ergibt sich:

\[V(X) = \frac{1}{2}(X-X_0)^T H (X-X_0)\]

Die Elemente der Hesse-Matrix sind die zweiten Ableitungen der potentiellen Energie nach den Kernpositionen durch Diagonalisierung (Ähnlichkeitstransformation) wechselt man in das Koordinatensystem der Normalmoden und die Hesse-Matrix wird zur Diagonalmatrix $\Lambda$. Die Beiträge einzelner Atomkerne gehen hierbei massegewichtet in die Hesse-Matrix ein. Die Eigenwerte $\lambda_i$ entsprechen den Kraftkonstanten und können in Schwingungsfrequenzen $\nu_i$ umgerechnet werden:

\[\nu_i = \frac{1}{2\pi} \sqrt{\frac{\lambda_i}{\mu}}\]

Wird diese harmonische Näherung korrekt auf eine Minimums-Geometrie angewandt so sind alle Eigenwerte reell und positiv.

Falls ein Sattelpunkt vorliegt sind einige Eigenwerte negativ und die entsprechenden Frequenzen imaginär.

Folgende Abbildung zeigt die ersten drei Normalmoden des Wassermoleküls welche der antisymmetrischen- und symmetrischen Streckschwingung sowie der Biegeschwingung entsrpechen

Normalmoden des Wassermoleküls

Frequenzberechnung in Orca

Folgender Input-File ist ein Beispiel für eine Frequenzberechnung in Orca. Als Methode wird wiederum Hartree Fock mit dem 6-311G(d,p) Basissatz verwendet.

 !HF 6-311G(d,p) OPT FREQ
 * xyz 0 1
       H      0.000000000    1.415075762    0.956290882
       O      0.000000000    0.000000000   -0.120510070
       H      0.000000000   -1.415075762    0.956290882
 *

Es wird sowohl eine Geometrie-Optimierung (OPT) als auch eine Frequenzberechnung (FREQ) durchgeführt. Grundsätzlich man diese Berechnung analytisch (wenn verfügbar) oder numerisch (durch zb Finite-Differenzen) durchführen.

-----------------------
VIBRATIONAL FREQUENCIES
-----------------------

Scaling factor for frequencies =  1.000000000  (already applied!)

     0:       0.00 cm**-1
     1:       0.00 cm**-1
     2:       0.00 cm**-1
     3:       0.00 cm**-1
     4:       0.00 cm**-1
     5:       0.00 cm**-1
     6:    1750.79 cm**-1
     7:    4141.74 cm**-1
     8:    4237.00 cm**-1


------------
NORMAL MODES
------------

These modes are the Cartesian displacements weighted by the diagonal matrix
M(i,i)=1/sqrt(m[i]) where m[i] is the mass of the displaced atom
Thus, these vectors are normalized but *not* orthogonal

                  0          1          2          3          4          5    
      0       0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000
      1       0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000
      2       0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000
      3       0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000
      4       0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000
      5       0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000
      6       0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000
      7       0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000
      8       0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000   0.000000
                  6          7          8    
      0      -0.000000  -0.000000  -0.000000
      1      -0.430096  -0.583118  -0.561293
      2       0.559049  -0.398411  -0.427118
      3       0.000000   0.000000   0.000000
      4      -0.000000   0.000001   0.070729
      5      -0.070445   0.050202  -0.000001
      6      -0.000000   0.000000   0.000000
      7       0.430096   0.583097  -0.561316
      8       0.559049  -0.398396   0.427133

Im Output-File findet man dann die berechneten Frequenzen in cm$^{-1}$ und die zugehörigen massegewichteten Normalmoden.

Anharmonische Frequenzberechnung mit VPT2

Vibrational pertubation theroy (VPT) ist eine möglichkeit um die harmonische Beschreibung von molekularen Schwingungen zu verbessern. Ein quartisches Kraftfeld in Normalkoordinaten beschreibt hier harmonische und anharmonische Effekte

\[V = \frac{1}{2} \sum \lambda_i Q_i² + \frac{1}{6} \sum F_{ijk} Q_i Q_j Q_k + \frac{1}{24} \sum F_{ijkl} Q_i Q_j Q_k Q_l\]

hierbei sind $F_{ijk}$ und $F_{ijkl}$ die kubischen und quartischen Ableitungen des Potentials mit der Form:

\[F_{ijk} = \frac{\partial^3 V}{\partial Q_i \partial Q_j \partial Q_k}\] \[F_{ijkl} = \frac{\partial^4 V}{\partial Q_i \partial Q_j \partial Q_k \partial Q_l}\]

Man schreibt den Hamiltonian dann als Summe:

\[H = H^{(0)} + H^{(1)} + H^{(2)}\]

wo jeweils die kubischen Terme in $H^{(1)}$ und die quartischen Terme in $H^{(2)}$ enthalten sind. Es sei hier anzumerken, dass VPT2 nur den Beginn der anharmonischen Schwingungskorrekturen darstellt und eine Vielzahl an weiteren Korrekturen existiert. interessierte Leser können unter folgenden Schlagwörtern mehr Informationen finden (VMP2, VSCF, VCI, Numerov Procedure for solving vibrational problems).

VPT2 in Orca

Zuerst einige wichtige Hinweise zur Verwendung von VPT2 in Orca:

  • Die Startgeometrie muss strikte Konvergenzkriterien erfüllen dazu kann man in Orca die Option !TightOpt oder ! VeryTightOpt verwenden.
  • Zudem sollte man mit einer vorherigen harmonischen Frequenzberechnung sicherstellen das die Geometrie ein Minimum ist.
  • Das SCF muss striktere Konvergenzkriterien erfüllen, dazu verwendet man am besten !ExtremeSCF oder !VeryTightSCF
  • VPT2 in Orca funktioniert nur für nicht-lineare Moleküle

Folgender Block zeigt einen typischen Input für eine VPT2-Rechnung in Orca für das Wassermolekül:

! RHF 6-311G(d,p) ExtremeSCF  VPT2

%pal nprocs 4 end

%vpt2
	VPT2			On
	HessianCutoff 1e-12
	PrintLevel 1
end

%method
  Z_Tol 1e-14
end

* xyz 0 1
  O           0.10579950836185      0.00000000000000      0.00000000000000
  H           0.70570224581907      0.00000000000000      0.74668419232728
  H           0.70570224581908      0.00000000000000     -0.74668419232728
*

Es müssen Methoden mit analytischer Hesse-Matrix verwendet werden, zb HF, zudem kann man im Code-Block %vpt2 die Parameter für die VPT2-Rechnung einstellen. Es wurde ein Cut-Off für die Elemente der Hesse-Matrix von $1 \times 10^{-12}$ gewählt um numerische Ungenauigkeiten zu vermeiden. Die Option Z_Tol im Block %method legt eine striktere Konvergenzbedingung für die CP-SCF-Rechnung fest.

===================== Vibrational Analysis =====================


Anharmonic constants [1/cm]
---------------------------
  r      s        chi[r][s] 
---------------------------
  0      0        -15.29924 
  1      0         -8.20737 
  1      1        -40.73760 
  2      0        -21.57456 
  2      1       -160.26486 
  2      2        -45.24153 
---------------------------

Fundamental transitions [1/cm] 
-----------------------------------------
Mode     w(harm)      v(fund)      Diff
-----------------------------------------
  0     1821.363     1775.873     -45.489
  1     3922.027     3756.316    -165.711
  2     3990.137     3808.734    -181.403
-----------------------------------------

Zero-point ro-vibrational energy [1/cm]
---------------------------------------
Harmonic contribution:         4866.763
Anharmonic correction:          -72.831
Ro-vibrational correction:        4.718
---------------------------------------
Total:                         4798.650


Overtones and combination bands 
--------------------------------------------------------------------------------
  modes   freq      eps        Int     T**2     (  Tx          Ty          Tz )
         [cm-1] [L/(mol*cm)] [km/mol] [a.u.]     
--------------------------------------------------------------------------------
  0   0  3521.15  0.000104    0.52   0.000009   (-0.000000 -0.003031  0.000000)
  0   1  5523.98  0.000010    0.05   0.000001   (-0.000000 -0.000755 -0.000000)
  0   2  5563.03  0.000706    3.57   0.000040   ( 0.006291 -0.000000 -0.000000)
  1   1  7431.16  0.000157    0.80   0.000007   ( 0.000000 -0.002571 -0.000000)
  1   2  7404.78  0.000732    3.70   0.000031   ( 0.005552 -0.000000 -0.000000)
  2   2  7526.98  0.000042    0.21   0.000002   (-0.000000 -0.001324 -0.000000)


============================== End =============================

In den oberen Block findet man dann die jeweiligen anharmonischen Frequenzen $v_{fund}$ und die Differenz zur harmonischen Frequenz. Zudem erhält man die Obertöne und Kombinationsbanden mit den jeweiligen Frequenzen und Intensitäten.

Aufgabe 2a

Berechnen Sie die harmonischen Frequenzen für alle Moleküle ihrer Reaktion und vergleiche Sie diese mit experimentellen Daten. Machen Sie sich bewusst um welche Art von Experiment es sich handelt.

Aufgabe 2b

Berechnen Sie die anharmonischen VPT2 Frequenzen. Wie groß sind die Unterschiede zwischen harmonischen und anharmonischen Frequenzen? Handelt es sich bei den VPT2-Frequenzen um gekoppelte oder entkoppelte Vibrationszustände?

Verständnisfragen

  • Wie erkennt man anhand der harmonischen Schwingungsfrequenzen ob ein Energie-Minimum oder ein Sattelpunkt vorliegt?
  • Was sind Normalmoden? Wie werden diese berechnet und konstruiert?
  • Wie kommt man von den Eigenwerten der Hesse-Matrix zu den Schwingungsfrequenzen?
  • Welche Möglichkeiten gibt es für anharmonische Korrekturen der Schwingungsfrequenzen?
  • Wie funktioniert die VPT2-Methode? Wie funktioniert das Analoga der Elektronenstrukturtheorie (Störungstheorie)?
  • Warum unterscheiden sich harmonische Frequenzen so stark von den experimentellen Werten? Welche Effekte werden in der harmonischen Näherung nicht berücksichtigt?